Reine E-Book-Reader sterben aus

In den USA liefern sich Amazon und Barnes&Noble einen erbitterten Preiskampf um Anteile am Markt für E-Book-Reader. Plastic Logic hat dagegen angeblich die Pläne für seinen Reader gestoppt, bevor er auf den Markt kam. Ist das der Anfang vom Ende der nur als Lesegerät für E-Books fungierenden Geräteklasse?

Auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst vergangenen Jahres waren E-Book-Reader noch die Stars, ein Jahr später könnten sie die Buhmänner sein – und ein weiterer Beleg dafür, dass alteingesessene Wirtschaftsunternehmen zu träge sind, um mit den schnellen Entwicklungen in der IT-Branche Schritt zu halten.

ZDNet-Autor Jason Perlow hat bereits im März darüber spekuliert, ob mit dem Marktstart des iPad zumindest die Zeit des Amazon Kindle vorbei sein wird. „Warum sollte man sich einen Kindle DX kaufen, mit dem sich lediglich Bücher von Amazon kaufen und lesen lassen, wenn man für zehn Dollar mehr ein iPad bekommen kann, dass nicht nur für den Kindle angepasste Inhalte, sondern auch E-Books von Barnes&Noble, Apples eigene iBooks, Lexcycle Stanza und farbige Magazine von Zinio darstellen kann? Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, Blogs und Websites kostenlos zu lesen, für deren Umwandlung in sein proprietäres Format Amazon Geld verlangt?“

Kindle for iPad sah Perlow als erstes Anzeichen, dass Amazon seine Niederlage einräumt und einen raschen Preisverfall für E-Book-Reader als unvermeidlich annimmt. KIndle für Android ist die logische Folge der Marktentwicklung. Schließlich müssen die Geräte nicht nur mit dem vergleichsweise teuren iPad, sondern bald auch mit günstigen Android-Tablets wie dem „Streak“ von Dell konkurrieren.

Preiskrieg oder Abverkauf von Restposten?

Dass die Auswirkungen des iPad auf den Markt für E-Book-Reader aber so schnell spürbar sein würden, hat auch Perlow nicht gedacht. Vergangene Woche senkte Barnes&Noble den Preis seines Nook 3G von 259 auf 199 Dollar. Amazon hat sofort nachgezogen und den 3G-Kindle 2 auf 189 Dollar reduziert. Zum Vergleich: Vor zweieinhalb Jahren kam der erste – wesentlich funktionsärmere Kindle – für 399 Dollar auf den Markt.

Den ersten Fehdehandschuh im Preiskrieg hat Barnes&Noble hingeworfen. Der amerikanische Büchergigant muss gemerkt haben, dass er mit seinem aggressiven Wettbewerber Amazon nur mithalten kann, wenn er auf die Marge an den Geräten verzichtet und stattdessen versucht, Geld über den Verkauf von Inhalten zu verdienen.

Harte Zeiten für E-Reader-Spezialisten

Damit hat Barnes&Noble aber nicht nur für seinen wichtigsten Wettbewerber den Brunnen vergiftet, sondern gleichzeitig auch alle Mitbewerber, die in Nordamerika und Europa E-Book-Reader herstellen und verkaufen, erheblich unter Druck gesetzt. Von ihnen hat wahrscheinlich wegen der kleineren Stückzahlen keiner die Möglichkeit, solch radikale Preissenkungen mitzugehen.

Dells 5-Zoll-Tablet Streak
Mit Dells 5-Zoll-Tablet Streak kann man nicht nur E-Books lesen, sondern auch telefonieren (Bild: Dell).

Von ihnen hat Plastic Logic als erster reagiert: Scheinbar soll der für Sommer 2010 angekündigte E-Book-Reader „Que“ gar nicht mehr auf den Markt kommen. Der Hersteller hat die Vorbestellungen gestrichen – und das obwohl CEO Richard Archuleta das Produkt nicht als ein weiteres Gerät zum Lesen elektronischer Bücher verstanden wissen wollte. Vielmehr sollte der Que den typischen Inhalt einer Aktentasche ersetzen, also eine etwas andere Nische besetzen.

Etwas weniger aufsehenerregend, aber wahrscheinlich von derselben Erkenntnis bestimmt, war im Februar Acers Entscheidung, die Pläne für einen eigenen E-Book-Reader aufzugeben. Firmen wie Bookeen, iRex, Kobo, Spring Design und dem deutschen Start-up txtr droht dasselbe Schicksal wie Plastic Logic. Das einzige Unternehmen, dass groß genug wäre, um den Kampf aufzunehmen, ist Sony. Ob die Japaner, die nie eine besondere Euphorie für ihren E-Book-Reader gezeigt haben, das aber weltweit tun wollen, darf man sicher zu Recht bezweifeln.

Themenseiten: Amazon, Analysen & Kommentare, Displays, E-Books, IT-Business, Mobile, Plastic Logic, Sony Europe Limited; Zweigniederlassung Deutschland, Tablet, Technologien, iPad

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5 Kommentare zu Reine E-Book-Reader sterben aus

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  • Am 6. Juli 2010 um 23:55 von Anubiz

    no way!
    ich hab weder ein pad noch ein smartphone oder sonstwas, nichmal ein handy
    und wenn ich was lesen will, dann nicht auf einem LCD, ganz gleich ob der blendet oder nicht, sondern auf einem augenschonenden eink!

  • Am 6. Juli 2010 um 11:04 von Oliver

    Teils veraltete Informationen
    Entgegen der Angabe im Artikel hat Acer unlängst mit dem LumiRead den „Rückzug vom Rückzug“ bekannt gegeben.

    Neben der Lesbarkeit unter Sonneneinstrahlung kommt beim eInk-Display hinzu, dass dieses bei der reinen Darstellung keinen Akkuverbrauch aufweist. Mit den 6-7 Stunden Kapazität der transreflektiven LC-Displays gibt sich kein ambitionierter Leser zufrieden, sodass für Bibliotheken und Literaten an eInk und Pixel Qi auch weiterhin kein Weg vorbei führen wird. Mit etwa 149$ für den Nook Wi-Fi werden die Geräte zudem langsam auch für den Heimgebrauch interessant.

    • Am 6. Juli 2010 um 11:26 von Peter Marwan

      AW: Teils veraltete Informationen
      Hallo Oliver,
      Danke für den Hinweis. Sie liegen in Bezug auf Acer weitgehend richtig. Der Konzern hat Ende Mai tatsächlich den „Rückzug vom Rückzug“ angekündigt: http://preview.tinyurl.com/37ny8yh . Allerdings ist derzeit noch offen, zu welchem Preis und ob das Gerät auch in Deutschland vertrieben wird. Möglicherweise gibt es dazu im Rahmen der IFA oder der Frankfurter Buchmesse Details zu vermelden.

      Peter Marwan
      ZDNet-Redaktion

  • Am 29. Juni 2010 um 18:48 von Paul

    Nur logisch
    Die Dinger sind so teuer, dass man sich dann lieber nen Netbook oder sowas kauft. So limitiert wie die Dinger sind, lohnt es sich einfach nicht.

    Das ist, als ob man jetzt mit nem super tollen neuen MP3 Player an den Markt geht.
    Jeder Computer/Tablet/Netbook/Notebook sind tausend mal besser im e-Book Lesen lassen als jeder e-Book Reader.

    • Am 29. Juni 2010 um 22:23 von HelliH

      AW: Nur logisch
      Nicht logisch, nicht wahr. Und im Artikel steht es auch:

      1. Alle – wirklich alle – Hochglanzdisplays haben wegen der Spiegelungen Probleme bei Sonneneinstrahlung und bei intensiver Raumbeleuchtung.
      2. Ein eBook-Reader wiegt ca. 350 g, hält mit der eInk-Technik tagelang durch und lässt sich einhändig bedienen, keine Maus, kein Touchpad, 1 Daumen der das Ding auch mit hält, reicht.
      3. Hintergrundbeleuchtung kann mit eInk nicht konkurrieren. Noch nicht. Das ist wie auf dem Papier.

      Wer alle genannten Geräte kennt, gerne längere Texte (sprich Romane oder Sachbücher, nicht Multimedia-Publikationen aus den Web) liest, ist derzeit nur mit dem spezifischen eReader gut bedient.

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